Die Octi-Seite

Aufbruch zur Mugge. Die Musiker diskutieren, der grüne und der braune Octi und dazwischen Robi's 311er Mit den Octavia-Kombi haben uns die Autobauer aus Mlada Boleslav (JungBunzlau) bei unseren Transportproblemen aus der Patsche geholfen. Vom Habitus und der Spritzigkeit her eher dinosaurierartig besitzen sie doch einen Laderaum der auch "für die große Bassbox" (siehe: CD Octi Stories, Titel 2: Sänger für die Band) geeignet ist. Wir waren von den Dingern so angetan, daß wir zeitweilig drei davon hatten. Diese Vorgehensweise hatte jedoch auch logistische Gründe. Die Ersatzteillage war in der DDR für alles und zu jeder Zeit prekär, so daß wir mit drei Octis gerade immer so zwei am Laufen halten konnten. Besondere Aufmerksamkeit mußten wir den Auspuffanlagen widmen; um deren Pflege und Störungsfälle sich die skurrilsten Geschichten ranken. Einige davon können wir hier zum Besten geben.



wie es zum ersten Octi kam

Den grünen Octi hatten wir als erstes Bandauto. Die Mobilisten hatten vor der Octi-Ära den Transport mit Riesenaufwand zunächst über Gütertaxis organisiert. Das bedeutet, das einer sich opferte und am Sonnabend vormittag die Anlage laden mußte und dann mit dem Gütertaxi, das man mitsamt Fahrer mietete, zum Auftrittsort fuhr. Sonnabend nachmittag fuhr kein Gütertaxi mehr, da waren die Gütertaxi-Fahrer dann schon im Wochenende. Der Mobilist, der dran war, das Gütertaxi zu betreuen, hatte dann zumindest den Vorteil, daß er schon am Auftrittsort war, wohin die anderen erst kommen mußten.
Das passierte in den Anfängen durch geschickte Kombination von Bus- und Bahnfahrten und einzelnen Tramp-Vorgängen. Das lief manchmal ganz gut , denn jemanden mit Gitarrenkoffer hat man damals gern mitgenommen, der hatte bestimmt etwas zu erzählen. Während einer solchen legendären Anreise sind Bernd und ich mal von einem dicken Westwagen mitgenommen worden. Die Leute haben ihre alte Heimat besucht und sind die Gegend mit dem Auto abgefahren. "Gucke mal da, die alte Bruchbude da steht ja immernoch! Hach, und die Linde ist ja inzwischen groß geworden! Das haben die hier aber alles verkommen lassen...Sch...Kommunisten..." usw. usf. Nach einer mehrstündigen Tour durch das Harzvorland haben die uns dann an dem Punkt abgesetzt, wo wir eigentlich unsere nächste Bahnverbindung bekommen wollten. Wir sind dann ein bißchen gewandert und hatten dann die einmalige Gelegenheit mit einer Lokomotive (!) zu trampen. Der Lokführer hatte uns von der Lok herunter angesprochen wo wir wohl hinwollten und hat uns dann mitgenommen. Dieses Geschehen erfolgte so weit im wilden Westen der DDR und die Gesetzlosigkeit reichte so weit, daß er einen Verstoß gegen seine Dienstvorschriften wagte und uns im Führerstand der Lok Platz nehmen ließ (stehend). Immer unsere Gitarren bei der Hand (war richtig eng mit den Gitarren). Er setzte uns in dem Bestimmungsort ab, in dem Dorf, in dem wir am Abend musizieren sollten. Unser Mobilist mit dem Gütertaxe war schon da und hatte hatte sich vom Vormittag bis zu unserem Eintreffen die Lebensgeschichten sämtlicher dorfbekannten Trunkenbolde mehrfach anhören müssen. Es gehörte unglaubliches Stehvermögen dazu, nicht zu dem Zeitpunkt schon unter dem Tisch zu liegen. Immerhin hatten wir nach den Beschwerlichkeiten der Anreise noch eine Mugge vor uns.
Auch die Rückreise gestaltete sich oft recht schwierig. Es sind Fälle überliefert, daß wir in der Nacht noch ca. 10-12 km gelaufen sind, um an die Bahnstrecke Halberstadt Magdeburg zu kommen. Nach der Übernachtung auf dem Bahnhof Nienhagen (in der Wartehalle bzw. in der Toilette) haben wir dann uns dann zu den Frühschichtlern in den ersten Zug nach Magdeburg gesetzt. Mit Martins Trabbi war später dann zumindest die An- und Abreise der Musiker kein Problem mehr. Die eine oder andere Gitarre hat auch noch in den Kofferrraum des Trabbi gepaßt, nicht aber die gesamte Anlage. Uli hat irgendwann einen Spediteur (Peter) aus Minsleben ziemlich regelmäßig engagiert, der ließ sich allerdings seine Anreise aus Minsleben (bei Wernigerode) nach Magdeburg bezahlen. Wir spielten dann fast nur noch für den Transport. Irgendwann hatten wir dann die Nase voll und haben den grünen Octi gemeinschaftlich gekauft. Mit dem Octi und dem Trabbi waren theoretisch die Transportprobleme gelöst. Ein altes Auto in der DDR damals am Laufen zu halten, war ein full-time-job. Ersatzteilbeschaffung und Arbeitsaufwand nahmen bedenkliche Formen an. Trotzdem war das Fahrzeug nicht zu halten und kam in einen immer schlimmeren Zustand. Mehr als einmal sind wir in Verkehrskontrollen gekommen, bei denen es nicht glimflich abging und uns die Zulassung entzogen wurde. Gunnar mußte später zu "Vorführungen" des "in Ordnung gebrachten" Wagens vor Vertretern des KTA, sowas ähnliches wie der TÜV. Der entscheidende Unterschied zum TÜV-System war jedoch, das bei jeder Verkehrskontrolle das Fahrzeug "aufgrund offensichtlicher technischer Mängel" stillgelegt werden konnte. Ein Bulle am Staßenrand brachte in jedem Fall den Kreislauf eines octifahrenden Mobilisten in den absoluten Krisenzustand. Bei jederVerkehrskontrolle ging es um Leben und Tod (des Octis).
Manchmal zeigten sich die Genossen auch verständnisvoll oder sogar von der lustigen Seite.



Verkehrskontrolle an irgendeinem Stadtrand im Norden:

Ich bin allein im Octi, werde hochgezogen.
"Guten Tag, Hauptwachtmeister So_und_so, bitte mal die Fahrzeugpapiere zur Kontrolle. Steigen Sie doch bitte mal aus..." Die Crew bestand ein einem oder zwei Uniformierten, dazu eine ganze Horde von Hilfspolizisten mit Armbinde, sonst zivil. Fast alle waren mit den Fahrzeugen von Verkehrsteilnehmern beschäftigt, die bereits herausgewunken wurden.
Ich meine, ich hatte trotzdem Glück im Unglück. Ich schwinge mich aus dem Cockpit des Octi und sehe aus dem Augenwinkel Jürgens Trabbi vorbeifahren. Die darin befindlichen Mobilisten drücken sich an den Scheiben die Nase platt, schreckgeweitete Augen, bloße Angst; natürlich nur um den Octi, nicht um mich und meine Fahrerlaubnis.
Sie fahren weiter, biegen die Nächste rechts ab und kommen nach einigen Minuten zu Fuß um die Ecke, zurück zum Ort des Geschehens. Hände in den Hosentaschen, mit Unschuldsmienen ein Liedchen pfeifend stellen sie sich dazu und tun so, als ob sie mich nicht kennen.
Ich nehme vorweg: Es geht glimpflich ab.
Der Bulle und sein Armbinden-Compagnon sind ganz gut drauf. Es geht nur im eine Kontrolle der Signalanlage und der Beleuchtung. Ich sitze wieder im Cockpit und bediene die Knöpfe. Natürlich haben sie mitbekommen, dass es ich beim Octi um einen Band-Transporter handelt.
Blinker links: Vorne, Hinten (der Gag mit: "Geht - geht nicht - geht - geht nicht - ..." war damals noch nicht erfunden), Blinker rechts, auch ok, Bremslicht. gut.
Jetzt kommt's.
Lichtanlage. Hinten. Ok.
Vorne.
Mal Aufblenden. Ja, ok.
Abblenden. Geht auch.
Standlicht.
Standlicht?
Standlicht!

Geht nicht!
Ich: "Doch. muß gehen. Ging doch grade noch."
Ich steige wieder aus, gehe zu den beiden nach vorn (Die umstehenden Mitmobilisten feixen schon.) Ich kauere mich vor den rechten Scheinwerfer, umschließe ihn mit beiden Händen, um das Licht der hereinbrechenden Dämmerung abzuschirmen, blicke in den durch die Hände geformten Tunnel und sage: "Da. Da ist es doch!"
Der Hilfsbulle tut es am anderen Scheinwerfer mir gleich. Nach einem kurzen Moment ein (gespielt) freudiges, langgezogenes "Jaaaahh, jetzt sehe ich es auch!"
Überschäumende Fröhlichkeit bei allen Anwesenden, insbesondere den Mobilisten.
Nach Wiederübergabe der Fahrzeugpapiere kann ich die Fahrt fortsetzen.
Zur Erläuterung: Von den Scheinwerfer-Reflektoren für den PKW-Typ Skoda Octavia scheint es unterschiedliche Ausführungen gegeben zu haben. Eine hatte im Reflektor unterhalb des großen Loches in der Mitte für den Scheinwerfer-Lampe ein kleineres für die kleine Standlicht-Leuchte. Die Leuchten des Octi waren so angeordnet, aber ich hatte in Ermangelung des richtigen Ersatzteils (Reflektor mit zusätzlichem, unteren Standlichtloch) einen Reflektor ohne Loch einbauen müssen. (Die alten Reflektoren mußte ich ausbauen, da sie mehr und mehr die Charakteristik eines schwarzen Strahlers annahmen.) Mit diesen Reflektoren lag die Standlichtlampe hinter dem Reflektor. War also wirklich nicht einfach zu entdecken.
Aber wer braucht schon ein Standlicht. Autos sind zum Fahren da.



grüner Octi, in der Letzlinger Heide

Lutz und Martin im Octi.
bmmrmmmrmmrbmmrmmmrmm
Der Octi brummt.
Macht gute Fahrt.
Die Sonne scheint.
Wir schwitzen.

bmmrmmmrmmrbmmrmmmrmm_
plötzlich:
_BRRRRRMRRRRBRRRRMRMRRRRBRRRRRBRRR

Gleichzeitg drehen Lutz und Martin die Köpfe aufeinander zu.
Der gleiche fragende Blick auf beiden Gesichtern. Kein Wort.
Gleichzeitiges Schulterzucken. Egal.
Ist eben ein bißchen lauter geworden.
Wir fahren weiter. Wo's doch gerade so schön rollt.
Zufällig blickt Martin in den Rückspiegel. Ganz fern hinten hat der zweite Octi angehalten, Jürgen ist mit einem Lappen bewaffnet herausgesprungen und hebt das heiße Stück Rohr auf und verstaut es im Kofferraum.
So haben wir das allererste Mal einen Auspuff verloren.
Das kam später noch öfters vor.



Auspuffreparatur in der Kutzstraße

Bei der Reparatur von defekten Abgasanlagen haben die Mobilisten eine geradezu phänomenale Kreativität entwickelt.
Allerdings waren die Bemühungen eher selten von Erfolg gekrönt
Ich erinnere mich an eine Auspuff-Reparatur-Aktion, die gegen 10.00 Uhr morgens begann. Mit aluminiumkaschiertem Glasfasermaterial, unter schwierigsten Bedingungen beschafft, selbstgefertigten Schellen und Verschraubungen wurde hantiert, angepaßt, das Konzept überarbeitet, überlegt, wie die Aufhängung schwingungsgünstig zu gestalten sei, Bauteile anderer Fahrzeugtypen wurden passend gemacht. Es war ein Gewusel in, unter und um das Auto herum und die Zeit wurde knapp, der Aufbruch (wahrscheinlich in die Altmark) stand bevor. In einem Musterbeispiel von Teamwork wurde das optimale Ergebnis unter den gegebenen Randbedingungen erzielt. Man reichte sich gegenseitig nach etwa 3 Stunden und getaner Arbeit die verschmutzten Hände. Schnell noch vor dem Losfahren ein Happen gegessen, die Sachen packen, laden. Das Werk sollte die Meister loben. Anschieben (Angeschoben wurde fast immer. Waren ja auch genug Leute verfügbar. In den seltensten Fällen haben die Anlasser oder Batterien funktioniert.) und ... los.
Es ist kein Witz, mit einem Knall und der danach typischen Geräuschentwicklung war der Auspuff noch bevor wir aus der Kutzstraße herausgebogen waren, wieder abgefallen. Schätze ca. 40 m war er dran.
Dann ab.
Diesmal brauchte Jürgen keinen Lappen, um ihn aufzuheben und im Kofferraum zu verstauen (der Auspuff musste immer vorzeigbar sein, man mußte ja den Bullen klarmachen können, dass das Auto deswegen so laut ist, weil man den Schalldämpfer gerade eben verloren hatte), er war noch nicht betriebswarm. Die Enttäuschung war groß, aber es war keine Zeit mehr, weitere Anbauversuche zu unternehmen. Ich nehme an, daß wir uns wieder einmal für die 2 bis 3 Stunden Fahrt mit dem Octi-Sound vollgedröhnt haben. Kein Wunder, daß wir immer so laut gespielt haben. Nach dem Octikrach haben wir unsere Instrumente gar nicht mehr richtig gehört.



Innovative Ideen zur Auspuffbefestigung

Unterwegs-Hilfe für herabhängende Auspuffanlagen waren Boxenkabel, die um das gesamte Auto geschlungen wurden. Der Auspuff wurde damit "am Auto hochgebunden." Gunnar führte eine wirkungsvolle Verbesserung ein. Wenn man das Kabel nicht um das gesamte Auto schlang, sondern nur durch den Fahrgastraum, dann konnte man bei gleichzeitigem Zuschlagen (auf "1-2-3!") der Wagentüren eine zusätzliche Straffung und damit ein vergrößerte Bodenfreiheit des Auspuffs erreichen, weil das Kabel sich dann beim Einklemmen zwischen Tür und Holm an die eckige Kontur des Holms anschmiegen mußte. Genial.
Aus der Unterwegshilfe wurde übrigens nach kurzer Zeit die Mobil-Octi-Standard-Lösung.



Recycling von Fundsachen zu Ersatzteilen

Noch eine Story. Auftritt in Klötze. Das "Objekt", ein Jugendklub in Form einer flachen Holzbaracke, lag in einem Wäldchen. Die Zufahrt war ein eher lausiger Waldweg, Kies, Wurzelwerk. Nach dem Abstellen der Motoren merkten wir, daß wir nicht vor dem Bühneneingang, sondern rückwärts an den Haupteingang herangefahren waren. Unpraktisch für's Entladen zum Aufbauen. Mal eben schnell den Motor anwerfen und zum Bühneneingang fahren war nicht möglich wegen der Anlasserkalamität. Also: Alle Anfassen und den Octi schnell die 20 m (rückwärts) geschoben. Es ging schwer auf dem mit Wurzelwerk durchzogenen Untergrund, aber es ging. Wir hatten schon mit dem Ausladen begonnen, als einer der Mobilisten ein am Weg liegendes Rohr bemerkte. "Sieht aus wie ein altes Auspuffrohr, guck doch mal ob der Durchmesser paßt, vielleicht können wir es ja noch gebrauchen und 'was hinfummeln, dann nehmen wir es mit!". Nimmt sich das rostige Rohr, bückt sich, um unter den Octi zu blicken und Durchmesser und Länge mit dem Octi-Auspuffrohr zu vergleichen. Und fängt lauthals an zu lachen. Es war das Rohr unseres eigenen Octis, das wir selbst beim Rückwärtsschieben abgerissen haben, weil es sich an einer Wurzel im Waldboden verhakt hatte.



Mossi starten

ist zwar keine direkte Octi-Story, aber deswegen nicht minder interes- bzw. amü-sant. Gunnar nannte zu bestimmten Zeiten in grauer Vorzeit einen PKW Typ "Moskwitsch" sein eigen. Natürlich war der nur unwesentlich jünger als unsere Octis und damit auch nur unwesentlich "intakter". Besonders an kalten Tagen gab es auch hier Startprobleme, unzählige Male wurde die Batterie, die in den letzten Zügen lag, ausgebaut, mit "ins Warme" genommen und am Stromnetz aufgeladen. Aber der Zahn der Zeit nagte weiter an den Platten des Bleisammlers und irgendwann ist nun mal auch das Leben einer Starterbatterie zuende.
Die Lösung, die Gunnar erdachte, basiert auf der Ausnutzung der Schwerkraft bzw. der Umsetzung von potentieller Energie in kinetische Energie.
Der Niveauunterschied vom Stellplatz des Mossis (neben Gunnars Wohnhaus in der EInfahrt zur Garage [in der übrigens auch ein Teil des Equipments zeitweilig gelagert wurde]) und der Rögätzer Straße betrug ca. 50 cm. Normalerweise reichte auch bei grimmigem Frost dieser Umstand aus, dass er den Mossi zum etwa 2,5 m langen, abschüssigen Stück zur Straße hin schob und dann rollen ließ, Zündung an , Gang 'rein usw. usf., kennt man ja zur Genüge
Es galt jedoch, für diesen Vorgang eine Lücke im Verkehr, der schon damals recht munter auf der Rogätzer flutete, zu finden. Denn:
Es konnte ja passieren, dass dieser komplexe Startvorgang misslingt.
Dann stand der Mossi quer zur Verkehrsrichtung fast mitten auf der Rogätzer. In diesem Fall mit hoher Geschwindigkeit auszuführende Maßnahmen: 
0. Zündung aus,
1. Rückwärtsgang einlegen,
2. die im Fußraum des Beifahrersitzes liegende Anlass-Kurbel greifen,
3. raus aus dem Auto
4. Anlass-Kurbel am entsprechenden Flansch am Motoransetzen und
5. hurtig kurbeln um
6. auf diese Weise den Mossi wieder von der Straße hinunter und die kleine Gefällestrecke hinauf zu kurbeln.
Dann: Neuer Startversuch, neues Spiel bringt neues Glück...